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Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 156c

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Geschichte der Mathematik (Teil 56)


Nun hat es der Gleichungsalgorithmus bald geoffenbart, daß sich das Ausziehen der Wurzeln nicht immer nur auf positive Zahlen erstrecken kann. Wozu noch anzumerken wäre, daß derartige Probleme auch bei einer rein kombinatorischen Durchforschung der Anwendung aller Operationsarten auf sämtliche Zahltypen auftauchen müßten. Man müßte ja bei solchen Untersuchungen nicht nur die Division negativer Zahlen, sondern auch deren Radizierung unter die Lupe nehmen. Wir haben also die Gleichung nicht aus prinzipiellen, sondern aus rein historischen Gründen in unsere Betrachtung einbezogen, weil bei der Lösung von Gleichungen durch Wurzelziehen die „unmöglichen“ oder „imaginären“ Forderungen zum erstenmal auftraten. Wir wissen auch bereits einiges über diese imaginären Zahlen und ihre Behandlung, wissen, daß der Fundamentalsatz der Algebra im tiefsten Grund darauf beruht, daß eine n-te Wurzel eben n verschiedene Wurzelwerte ergibt, die zum Teil imaginär bzw. komplex sind.
Nun wurde aber, was wir gleichfalls schon angedeutet haben, durch D'Alembert, Euler und andere die hochbedeutsame Tatsache entdeckt, daß Operationen mit komplexen Zahlen, also mit Zahlen des Typus , niemals den Bereich der komplexen Zahlen sprengen. Ob wir komplexe Zahlen addieren, subtrahieren, multiplizieren, dividieren, potenzieren, radizieren, stets erhalten wir äußerstenfalls wieder eine komplexe Zahl als Ergebnis. Da man aber in weiterer Folge auch andere Operationen, etwa logarithmische und goniometrische, mit Imaginärzahlen und komplexen Zahlen durchzuführen lernte und dabei stets wieder nur auf höchstens komplexe Zahlen stieß, mußte man sich schließlich sagen, daß hier die Grenzen des Zahlenreiches entdeckt sein müßten. So weit waren Gauß und Cauchy bereits gelangt. Ebenso Graßmann und andre. Es drängte sich aber dazu noch der Gedanke auf, ob man unbedingt in der komplexen Zahlenebene, wie sie ein Gauß dargestellt hatte, verbleiben müßte, oder ob nicht eine Erweiterung in den Raum zu hyperkomplexen Zahlen des Typus führen könnte. Die einschlägigen Untersuchungen ergaben jedoch bald, daß dreigliedrige hyperkomplexe Zahlen infolge ihrer Asymmetrie schwer und umständlich zu handhaben seien und keine Vorteile brächten. Deshalb, dies sei vorweggenommen, entschloß sich Sir William Rowan Hamilton, einer der genialsten und eigenwilligsten Geister des neunzehnten Jahrhunderts, zu einem noch höheren hyperkomplexen Typus, zu den sogenannten Quaternionen der Form vorzustoßen, über die wir noch sprechen werden.
Inzwischen, und auch hierin waren schon Gauß und Cauchy in mancher Art vorangegangen, kam es zu einer entwicklungsgeschichtlich und entwícklungspsychologisch außerordentlich interessanten Situation, die wir am Beginn dieses Kapitels bereits angedeutet haben. Wie nämlich Konquistadoren in fernen, neuerworbenen Gebieten plötzlich ihre Heimat in anderer Beleuchtung zu erblicken beginnen und aus den Schätzen des Neulandes manche Einrichtung der „alten Welt“ als verstümmelten oder unvollkommenen Rest einer viel reicheren Vor-Welt erkennen, so schauten die Konquistadoren des komplexen Geisterreíches unvermittelt zurück auf alles, was unterhalb dieses Dorados der Zahlen lag. Und dabei stellte es sich heraus, daß das Reich der reellen Zahlen tatsächlich oft nicht mehr war als ein rudimentärer Rest einer viel ursprünglicheren, vollkommeneren und symmetrischeren Welt, die man hier, im Geisterreich, gleichsam wie in einem Reich platonischer Ideen der Mathematik mit Händen greifen konnte. Als es dazu noch offenbar wurde, daß man aus dem Verhalten der „Urbilder“ in einer bisher unzugänglichen Art auf das Verhalten der Zahlen in den unteren Bereichen schließen und daß man sogar mit vergleichsweiser Leichtigkeit aufzeigen konnte, warum selbst große Mathematiker Fehler über Fehler gemacht hatten, war ein weites Tor zu neuem Anstieg geöffnet. Zu einer neuen Welt von Formen, die so vielfältig und bestimmend wurde, daß ein großer Mathematiker am Ende des neunzehnten Jahrhunderts dieses Jahrhundert kurzweg als das „Jahrhundert der Funktionentheorie“ bezeichnete.
Wir haben jetzt das Wort ausgesprochen, an dessen Inhalt wir uns bisher langsam heranzutasten bemühten. Wir sind nämlich auch hier wieder gezwungen, durch indirekte Schilderung einen ungefähren Einblick in das sicherlich unzugänglichste und unpopulärste Gebiet der modernen Mathematik zu vermitteln: in die Theorie der „komplexen Veränderlichen“ oder in die „Funktionentheorie“ im engeren Sinne des Wortes.
Unter „Funktionentheorie“ überhaupt müßte man einen großen Teil der Mathematik zusammenfassen. Denn was kann schließlich nicht alles als Funktion angesehen werden? Schon am Beginn des neunzehnten Jahrhunderts hatte man den klassischen Begriff der Funktion verlassen und derart erweitert, daß diese Verallgemeinerung fast einer Veränderung gleichkam. Dirichlet nämlich prägte den Begriff einer Funktion dahin um, daß man unter Funktion einer reellen Veränderlichen x in einem Gebiet oder Intervall von a bis b jede Größe y zu verstehen habe, die für jeden besonderen Wert, den x in diesem Gebiet annehmen kann, einen einzigen und bestimmten Wert hat, der durch den Wert des x gegeben ist oder gefunden werden kann, gleichviel, ob durch Rechnung, geometrische Konstruktion, Beobachtung oder sonstwie. So wäre etwa ein Dezimalbruch, dessen Stellen wir auswürfeln, eine Funktion der Anzahl x der Würfe u. dgl. m.
(Dagegen wird eine gerade Wurzel von x erst dann zur Funktion von az, wenn das Vorzeichen eindeutig bestimmt ist.()
Eine allgemeinste Funktionentheorie hätte also in diese fast unendliche Mannigfaltigkeit von Funktionen Ordnung hineinzutragen, sie zu klassifizieren, ihre Eigenschaften zu erforschen, ihre Kalküle zu prüfen usw. Nun haben es aber diese Verallgemeinerungen des Funktionsbegriffes auch bei der Funktionentheorie im engeren Sinne, also bei der Theorie der komplexen V eränderlichen, bewirkt, daß die Definition des Funktionsbegriffes vorerst so weit gezogen werden muß, daß dieser Bereich, wie etwa Knopp sagt, kaum von allgemeinen Sätzen und Gesetzen beherrscht sein kann. Knopp fährt fort: „Es wird unsre Aufgabe sein, die Voraussetzungen in geeigneter Weise so einzuschränken, daß aus der Gesamtheit aller Funktionen eine zwar speziellere, aber besonders wertvolle Klasse von Funktionen ausgesondert werde, wertvoll im Hinblick auf ihre Anwendbarkeit in Mathematik und Naturwissenschaften. Die einschränkenden Forderungen, die wir stellen werden, sind die der Stetigkeit und der Differentiierbarkeit.
Wir haben mit Absicht diese Sätze aus einem Lehrbuch jüngsten Datums zitiert, um zu zeigen, daß sich der Forschungsstandpunkt der Funktionentheorie seit ihrer Entdeckung kaum wesentlich geändert hat. Differentiierbarkeit und Stetigkeit sind „wertvoll“, weil nur derartige Funktionen der eigentlichen rechnerischen Behandlung durch den Unendlichkeitskalkül zugänglich sind. Darauf aber kommt es an, so tiefgründig und verwickelt die Mittel sind, die zu dieser Erkenntnis führen, sofern es sich um einigermaßen unelementarere Funktionen handelt. Die Unendlichkeitsanalysis ist voll von Tücken und Abgründen, man muß auf Schritt und Tritt auf sonderbare Extravaganzen der Funktionen gefaßt sein, und eine wirklich erschöpfende Kenntnis einer Funktion ist gewöhnlich erst dann möglich, wenn man sie in ihrem komplexen Uroder Idealzustand untersucht hat. Für diese Behauptung möge nach Wieleitner ein einfaches Beispiel gegeben werden, das die Exponentialfunktion bzw. die Logarithmusfunktion betrifft. Im Jahre 1748 wurde von Euler die wichtige Beziehung entdeckt:
.
Nun wird bekanntlich gleich für , und gleich für gerade Vielfache von , wobei das Bogenmaß für 180 Grade bedeutet, wie das in der Analysis allgemein üblich ist. Daher ist , da bei dem Winkel der Sinus gleich Null und der gleich wird. Wäre also irgendeine Potenz von , etwa gegeben, so darf statt dieser Potenz , , allgemein geschrieben werden, da sich ja hierdurch nichts ändert.
Denn und , wie wir schon fanden. Es ist also, wenn wir jetzt weiters die „Potenz“ als Exponentialfunktion ansehen, also den Exponenten als Veranderliche auffassen, diese Exponentialfunktion im komplexen Gebiet unendlich vieldeutig. Wenn wir aber jetzt die Exponentialgleichung oder logarithmieren, dann erhalten wir nach obigem, aus dem Wesen des Logarithmus heraus, nicht bloß , sondern mit ebendemselben Recht , wobei n irgendeine ganze Zahl von bis bedeuten kann. Es gibt also im Geisterreich zu jeder Zahl a unendlich viele Logarithmen, von denen allerdings nur ein einziger reell ist und uns gewöhnlichen Sterblichen als „der“ Logarithmus erscheint.
Aber auch in der Lehre von den Reihen treffen wir beim Übergang ins komplexe Gebiet derartige Erweiterungen an. Die uns gelaufigen Reihen, etwa die fallenden geometrischen Progressionen vom Typus
bewegen sich ausschließlich auf der Zahlenlinie und sind auf dieser einzutragen, wenn man sie geometrisch darstellen will. Sie streben auch auf dieser Linie einer Grenze, einem Konvergenzpunkt zu, der etwa für
der Punkt 2 auf der Zahlenlinie ist. Ganz anders verhalten sich komplexe konvergente Reihen. Der Eigentümlichkeit der komplexen Zahl entsprechend, breiten sich solche Reihen auf der ganzen Zahlenfläche aus, und aus dem Konvergenzpunkt wird dementsprechend ein Konvergenzkreis. Man könnte, sehr bildlich gesprochen, die komplexe Zahlenebene überhaupt mit "zwei einander kreuzenden Straßen vergleichen, die auf festen Dämmen laufen. Bleibt man entweder im Bereich der reellen oder aber der rein imaginären Zahlen, dann spielen sich alle rechnerischen Vorgänge auf diesen festen Straßen ab. Hat man es jedoch mit einer Mischung beiderZahlenarten, also mit komplexen Größen zu tun, dann gerät man nach allen Seiten in die üppig verwucherten Sumpfregionen der komplexen Ebene, die, quadrantenartig angeordnet, zwischen dem Straßenkreuz liegt.