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Curso de alemán nivel medio con audio/Lección 108c

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Geschichte der Mathematik (Teil 8)


Drittes Kapitel.
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ARCHIMEDES
Mathematik und Wirklichkeit
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Eine neue werdende Weltmacht tritt auf den Plan, als das Hellenentum nach den Alexanderzügen eben den letzten großen Traum eines Weltimperialismus ausgeträumt hat. Im Jahre 216 sind bei Cannae 50.000 tapfere römische Legionare von Hannibal zusammengehauen worden. Es ist der Wendepunkt der römischen Geschichte, einer jener Wendepunkte, an denen über Sieg oder Untergang einer Nation nicht mehr ihre physische, sondern ausschließlich nur noch ihre moralische Möglichkeit entscheidet. Alles scheint für Rom verloren. Doch es rafft die letzten Waffenfähigen zusammen, bewaffnet sie mit alten Beutestücken aus den Tempeln, und schon zwei Jahre später steht der Consul M. Claudius Marcellus mit den Resten des bei Cannae fast gänzlich vernichteten Heeres vor Syrakus, um den Verbündeten Karthagos zu züchtigen. Doch die Römer sind vom Unglück verfolgt, auch hier ereignet sich ein negatives Wunder. Als Marcellus Syrakus von der Seeseite angreift, senken sich eiserne Hände und Schnäbel von den Mauern, krallen sich in die Schiffe und heben sie hoch, um sie wieder fallen zu lassen. Und auf die zerschmetterten Planken, an die sich Ertrinkende klammern, saust ein furchtbarer Hagel riesiger Steinblöcke, wie er von Menschenkraft noch niemals erregt wurde. Älteste Veteranen erblassen. Wo sich über den Mauern von Syrakus ein Tauende oder ein Stückchen Holz zeigt, dort fliehen die Legionäre in unhemmbarem Entsetzen. Denn sie Wollten gegen Menschen kämpfen, oder, Wenn es sein müßte, gegen die Kriegselefanten Hannibals, nicht mehr aber gegen feindlich gesinnte Götter und hundertarmige Riesen. Ihr Führer aber, der große Consul Marcellus, sorgt dafür, daß sie eine Erklärung des schrecklichen Wunders erhalten. Und da erfahren sie, daß ein einzelner gegen sie alle streitet, ein einsamer zweiundsiebzigjähriger Greis. Er heißt Archimedes und ist der größte aller hellenischen Mathematiker, einer jener skurrilen, Weltabgewandten Männer, deren Wesen der harte, Wirklichkeitsverwurzelte Römer noch Weniger versteht als seine ihm ebenfalls unklare Beschäftigung mit Linien und Buchstaben. Ist das Zauberei? Hat man über diese Tröpfe bisher fälschlich gespöttelt und gelacht? Jetzt, da es ernst geworden ist, hat man”s. Jetzt recken sich die eisernen Zauberkrallen über die Mauern und die Steine hageln, als ob Vesuv und Ätna zugleich das Innere der Erde ausspieen.
Und zu allem soll dieser Archimedes, gerade dieser Archimedes, der schnurrigste aller Geometer sein, den die Hellenen hervorbrachten. Man erfährt alles von gefangenen Syrakusanern, die sich durch Geschwätzigkeit Erleichterung ihres Gefangenenloses erkaufen Wollen. Archimedes sei mit dem Königshause verwandt, seine Familie sei reich gewesen. Er aber habe durch Verträumtheit alles vor die Hunde gebracht. Sei es ein Wunder, daß ein Mann abwirtschaften müsse, den die Verwandten mit sanfter Gewalt zum Bad schleppten, weil er es ebenso vergaß wie die Mahlzeiten? Und wenn er endlich badete, dann zeichne er während der Salbung ununterbrochen Linien in den Sand und murmle unverständliche Worte. Ja, einmal sei er sogar splitternackt durch die Straßen von Syrakus gelaufen und habe in einem fort „Heureka, heureka!“ geschrien. Was habe er da „gefunden“? Daß der Goldschmied den König betrogen und den Goldkranz nicht aus reinem Gold angefertigt habe? Angeblich sei Archimedes dies dadurch zum Bewußtsein gekommen, daß das Bad überlief, als er sich hineinsetzte. Das sei doch, bei den Göttern, keine große Entdeckung. Auf jeden Fall sei dieser Archimedes ein Narr oder ein Dämon oder beides.
Die römischen Bauern, aus denen sich ja die Legionen zusammensetzen, sind durch diese Erzählungen aufgeregter Syrakusaner nicht getröstet. Im Gegenteil. Jetzt glauben sie erst recht an Zauber und schwärzesten Spuk. Und als endlich nach zwei grauenvollen Jahren Syrakus ihnen durch List und Überrumplung in die Hände fällt, da stürmen sie mordend und plündernd durch die Gassen der eroberten Stadt und sind noch wilder als sonst, da sie an jeder Straßenbiegung das Auftauchen neuer archimedischer Gespenster befürchten.
Dabei betritt ein Legionär ein anscheinend unbewohntes Haus. Im Garten sitzt ein Greis und zeichnet Figuren in den Sand. Warum soll er sie nicht zeichnen? Gewiß, heute ist viel Lärm in der Stadt. Aber solchen Lärm gab es oft in den vergangenen zwei Jahren. Und das Problem leidet keinen Aufschub. Archimedes blickt kaum auf. Er merkt nur, daß ein Fuß in seine Linien tritt. „Störe mir meine Kreise nicht! “ sagt er sanft. Doch fast im gleichen Augenblick macht das Schwert des Legionärs seinem Leben ein Ende.
Hat der Soldat gewußt, daß er Archimedes tötete? Wollte er den „Zauberer“ beseitigen, um die Legionen und Rom zu retten? Trotz des strengen Befehls des Consuls Marcellus, Archimedes zu schonen?
Marcellus war erbittert, als er von der Tat hörte. Er ließ Archimedes mit allen Ehren bestatten und setzte ihm ein Grabmal, das allerdings durch Jahrhunderte vergessen war und von Hecken und Dornen überwuchert wurde. Erst Cicero hat es wieder aufgespürt, fand darauf die in den Zylinder einbeschriebene Kugel und bewies der Welt damit, daß Archimedes nicht nur eine Sage, sondern ein lebendiger Mensch gewesen war. Ein Mensch - fügen wir hinzu -, dessen innere Damonie kaum je in der Geschichte des Geistes übertroffen wurde. So umwalzend, so neu, so zukunftsschwanger war alles, was er unternahm und schuf.
Wir aber müssen nun mit unserem Zauberteppich in die Zeit zurückfliegen, in der wir schon einmal Weilten, müssen die geistigen Ahnen dieses unheimlichen Gestalters feststellen, da er für uns sonst noch viel mehr in die Zonen des nicht mehr zu Verstehenden gerückt würde.
Von den Eleaten, der Philosophenschule, die der Riesengeist Parmenides gegründet hatte, haben wir schon gehört. Es war jene Schule, die das ewige Sein, das Ruhende, als oberstes Weltprinzip erklärte und alles Werden zu bloßem Schein degradierte. Es war jene Schule, deren, fast möchte man sagen, karikaturistischen Ausklang der Eleate Zenon mit seinen sophistischen Paradoxien bildete. Wenn nun auch das Mißverständnis, das in diesen geistigen Luftsprüngen lag, von gründlicheren Geistern bald aufgeklärt und auf sein richtiges Maß zurückgeführt wurde, so blieb der echte Kern eleatischer Weisheit doch tief in der hellenischen Philosophie verwurzelt, da er dem Grundcharakter des zeitlosen Volkes der Harmonie sehr angemessen war. Und die echte eleatische Auffassung setzt sich fort in der platonischen Lehre von den ewig seienden Ideen, von den Urbildern alles Daseins, aller schattenhaften, verunreinigten Wirklichkeit. Von dort pflanzt sich diese Grundstimmung der in sich ruhenden Ewigkeit weiter über Aristoteles fort, bis sie in der rein statischen, klaren und bewegungslosen Mathematik Euklids ihren vollendeten Ausdruck auf geometrischem Gebiet findet. Für Euklid etwa ist ein Kreis durchaus nicht das Ergebnis eines Zirkelumschwunges, auch nicht das schon abstraktere Resultat der Bewegung eines Halbmessers, einer um einen der Endpunkte wieder in sich selbst zurückgedrehten Strecke, sondern die Gesamtheit oder der Inbegriff aller Punkte, für die der Abstand von einem bevorzugten Punkt (dem sogenannten Mittelpunkt) gleich ist. Es wird also, rein eleatisch, nicht das Werden des Kreises, sondern das Sein des Kreises ausgedrückt. Noch augenfälliger wird dieser Wesensunterschied bei verwickelteren Kurven. So bemerkt der Archimedesforscher A. Czwalina treffend, daß Archimedes die von ihm entdeckte und nach ihm benannte Spirale folgendermaßen beschreibt: „Wenn sich ein Halbstrahl um seinen Anfangspunkt mit gleichförmiger Geschwindigkeit dreht, nach einer beliebigen Anzahl von Drehungen wieder in seine Anfangslage zurückkehrt, und sich auf dem Halbstrahl ein Punkt mit gleichförmiger Geschwindigkeit, im Anfangspunkt des Halbstrahls beginnend, bewegt, so beschreibt dieser Punkt eine Spirale.“ Dagegen, so sagt Czwalina, hätte Euklid, ohne sich selbst untreu zu werden, dieselbe Kurve in seiner statischen Art so beschreiben müssen: „Es ist gegeben ein Halbstrahl und außerhalb desselben ein Punkt. Es sei die Gesamtheit aller der Punkte betrachtet, für die sich der Abstand des gegebenen Punktes zum Anfangspunkt des Halbstrahls verhält wie der Winkel, den jener Halbstrahl bildet, zu dem Winkel, den dieser Abstand bildet.“
An diesem Beispiel ist die Grenze der euklidischen Darstellungsart klar ersichtlich. Die logisch und Weltanschaulich begründete Ausschließung alles Werdenden, aller Bewegung, erzeugt zunehmend eine Starrheit und Undurchsichtigkeit der Darstellung, Wenn es sich um verwickeltere Probleme oder Definitionen handelt. Doch darin lag der Unterschied durchaus nicht allein. Wir müssen ihn also tiefer und verhüllter suchen. Zu diesem Zweck muß uns aber der Zauberteppich neuerdings bis zu Parmenides zurücktragen.
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